Konflikte in Beziehungen
Shownotes
Was hat der Geschirrspüler mit Beziehungsstress zu tun? Alles. Beide wollen sauberes Geschirr – nur anders. Genau darum geht’s: gleiche Ziele, verschiedene Wege.
Zu Gast: Melanie Henseler, Kommunikationscoach bei ok Kommunikation
Themen:
Streit oder Konflikt – wo ist der Unterschied? Warum Harmonie überschätzt ist Klassiker: Nähe, Geld, Sex, Zeit, WhatsApp Seitensprung – Krise oder Neustart? Wenn Freiheit wichtiger wird als Treue Minderheitenstress: Wenn Liebe gegen Normen schwimmt Wie Paare fair streiten, statt sich gegenseitig zu therapieren
Tools für den Alltag: 10-Minuten-Klärung Wir-Protokoll in 5 Zeilen Satzstarter für weniger Drama und mehr Dialog
Mini-Übung: Schreib deine drei lautesten Bedürfnisse auf, dazu eine verhandelbare Erwartung – und redet 10 Minuten drüber.
Fazit: Gelöste Konflikte sind Beziehungs-Protein – anstrengend, aber stärkend.
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Zank you very much! – Gespräche über Stress, Streit und Standing
Episode 3: Konflikte in Beziehungen
Intro
Elmar:Willkommen zu «Zank you very much!». Ich bin Elmar. Ich begleite Unternehmen, Teams und Einzelpersonen in Kommunikation, Konflikten und Weiterentwicklung.
Heute geht es um Konflikte in Beziehungen.
Was hat ein Geschirrspüler mit Konflikten zu tun? Ganz einfach: Wir haben das gleiche Ziel – sauberes Geschirr! Aber wir streiten darüber, wie es sauber wird.
Das ist das Prinzip fast aller Beziehungskonflikte. Wir wollen das Gleiche, aber unterschiedlich. Heute sprechen wir darüber, was ein Konflikt eigentlich ist, ob jeder Streit schon einer ist, welche typischen Auslöser es gibt und wie Paare fair damit umgehen – auch in offenen, queeren, multikulturellen, Patchwork- oder Fernbeziehungen.
Zu Gast ist heute Melanie Henseler von «ok Kommunikation». Sie arbeitet an der Schnittstelle von Sprache, Wirkung und Beziehung – und sie hat heute den Lead.
Ein paar Worte zu dir, Melanie, und dann geht’s los?
Melanie:Danke, Elmar. Ich heisse Melanie Henseler und bin selbständig als Kommunikationscoach unterwegs. Ich schule Menschen in Unternehmen zu verschiedenen Themen rund um Kommunikation. Oft begleite ich Menschen, die in Gesprächen oder Beziehungen anstehen – also nicht mehr weiterkommen. Meist geht es dann um Kommunikation im Zwischenmenschlichen. In diesen Momenten, wo gestritten wird oder Spannung entsteht, frage ich mich oft:
Teil 1 – Definition und Dynamik
Melanie:Ist jeder Streit eigentlich schon ein Konflikt? Und wenn nicht, woran erkennt man den Unterschied?
Elmar:Nein. Ein Streit ist einfach ein Streit – ein Austausch, manchmal laut, manchmal heftig. Der Klassiker: Müdigkeit, Hunger, Zeitdruck – das ist die Dreifaltigkeit schlechter Gespräche! Und ja, ich habe sogar erlebt, dass jemand Streit aus Langeweile angefangen hat.
Ein Konflikt entsteht, wenn unterschiedliche Bedürfnisse, Werte oder Ziele aufeinandertreffen – und nicht gleichzeitig erfüllt werden können. Viele Konflikte sind leise: spürbar, aber unausgesprochen. Sie zeigen sich in Rückzug, Ironie oder Distanz.
Aber auch ein Streit kann neue Konflikte schaffen – wenn sich jemand verletzt fühlt oder etwas Ungesagtes dazukommt. Entscheidend ist, welche Anliegen aufeinanderprallen und wie das eine Beziehung prägt.
Melanie:Warum gehören Konflikte überhaupt dazu? Viele wünschen sich doch einfach Ruhe und Harmonie.
Elmar:Weil sich Bedürfnisse verändern – Nähe, Freiheit, Sicherheit, Sinn. Konflikte zeigen Grenzen, aber sie öffnen auch Entwicklung. Dauerhafte Ruhe ohne Klärung ist keine Harmonie. Das ist nur eine Pause – manchmal eine langweilige. Ich nenne das verschwendete Paarzeit.
Melanie:Was sind die häufigsten Auslöser – sozusagen paartauglich?
Elmar:Zuerst: Es gibt Beziehungen, in denen Macht oder Gewalt eine Rolle spielt. Das ist eine andere Dynamik. Wer seine Partnerperson verletzt, körperlich oder psychisch, sollte aufhören, das Beziehung zu nennen.Heute sprechen wir über Beziehungen, die grundsätzlich aus Liebe oder Zuneigung funktionieren – aber an gewissen Punkten reiben.Und ja, es gibt Muster. Häufig geht es um unklare Verantwortlichkeiten, Care-Arbeit, Geld, Nähe und Distanz, Sex, Zeit oder digitale Missverständnisse. Besonders Erwartungen an ständige Erreichbarkeit führen oft zu Spannungen.Und natürlich – wenn es um Nähe, Sex und Freiheit geht, kommen wir an einem Thema kaum vorbei: dem Seitensprung
Melanie:Wie beurteilst du einen Seitensprung in einer Beziehung – aus der Sicht eines Konfliktmanagers?
Elmar:Ein Seitensprung ist für mich kein moralisches, sondern ein Beziehungsthema. Er zeigt, dass irgendwo im System etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist – vielleicht in der Nähe, im Vertrauen oder in der Kommunikation.
Ich beurteile nicht nach Schuld, sondern nach Bedeutung. Ein Seitensprung legt offen, was bisher unausgesprochen war. Zuerst braucht es Raum für die Verletzung, erst dann kann man fragen: Was will uns diese Krise sagen?
Ein Seitensprung kann das Ende einer Beziehung sein, aber auch der Beginn einer ehrlicheren. Entscheidend ist, ob beide bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und hinzuschauen.
Melanie:Und was, wenn Seitensprünge chronisch werden? Sollte man dann über die trendenden polyamourösen Beziehungungen nachdenken?
Elmar:Wenn Seitensprünge immer wieder passieren, ist das kein Zufall. Dann stimmt im Beziehungssystem etwas Grundlegendes nicht mehr. Es geht nicht mehr um einen einzelnen Fehltritt, sondern um das ständige Ringen zwischen Nähe und Freiheit.
Man kann dann über alternative Beziehungsformen nachdenken – zum Beispiel über Polyamorie. Aber das funktioniert nur, wenn beide ehrlich sind, viel reden und Verantwortung übernehmen.
Der Haken: Polyamorie heilt keine alten Wunden. Wer sie einführt, um Untreue zu kaschieren, landet oft in neuen Eifersuchtsszenarien – und das wird schnell anstrengend.
Melanie:Du hast vorher von Freiheit und Verlässlichkeit gesprochen. Beobachtest du, dass Beziehungen heute vielfältiger – vielleicht auch anspruchsvoller – geworden sind?
Elmar:Vielfältiger ja, anspruchsvoller will ich nicht beurteilen. In Beziehungen, die anders sind als die klassische Norm – etwa bei queeren Paaren, in offenen Beziehungen oder bei Menschen, die Rollen und Nähe neu verhandeln – entsteht oft mehr Komplexität.
Dann geht es darum, wer man füreinander ist, wie viel man im eigenen Umfeld zeigt und wie man mit dem sogenannten Minderheitenstress umgeht.
Ähnlich ist es bei Paaren, in denen eine Person Sexarbeit macht, bei Migrationspaaren oder in interkulturellen und interreligiösen Beziehungen. Da geht es oft um Zugehörigkeit, Identität und Anerkennung. Da kommen wir später noch dazu.
Diese Paare müssen ihre Rollen und ihr Selbstbild immer wieder neu aushandeln – zwischen Nähe und Distanz, zwischen dem eigenen Bild und dem, wie andere sie sehen.
Wo gesellschaftliche Normen weniger Orientierung bieten, braucht es umso mehr Bewusstsein und ehrlichen Dialog. Solche Beziehungen verlangen viel Selbstreflexion, gute Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen, damit jede Person sie selbst bleiben und trotzdem eine stabile Beziehung leben kann.
Melanie:Was meinst du genau mit Minderheitenstress?
Elmar:Das ist der Druck, der durch Stigma, Vorurteile oder kleine, wiederkehrende Kränkungen von aussen entsteht – sogenannte Mikroaggressionen. Menschen spüren diesen Stress, wenn ihre Art zu leben oder zu lieben nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht und sie dafür Ablehnung oder Unverständnis erleben.
Das erklärt, warum manche Paare schneller erschöpfen. Das ist kein Beziehungsfehler – das ist der Kontext. Wichtig ist, dass Paare diesen Druck nicht gegeneinander wenden, sondern gemeinsam anschauen.
Wenn es gelingt, diesen äusseren Druck miteinander zu halten, entsteht etwas sehr Kostbares: ein Gefühl von Verbundenheit, das stärker ist als das, was von aussen trennt.
Resilienz zeigt sich dann nicht in Härte, sondern in der Fähigkeit, weich zu bleiben. Es bedeutet, darauf zu vertrauen, dass man auch unter Spannung zusammenbleiben kann.
Beziehung heisst nicht Perfektion, sondern die Kunst, sich immer wieder füreinander zu entscheiden – auch im Gegenwind.
Melanie:Wie zeigt sich das, wenn Paare diesen Druck gut gemeinsam halten können?
Elmar:Sie werden ruhiger miteinander. Statt sich gegenseitig zu erklären, wer recht hat, entsteht Raum für Mitgefühl. Man hört auf, den anderen als Gegner zu sehen, und beginnt, ihn als Verbündeten wahrzunehmen.
Solche Paare entwickeln eine Art stilles Wissen füreinander – sie spüren, wann Nähe guttut und wann Abstand wichtig ist. Sie erinnern sich daran, dass sie gemeinsam gegen den Druck von aussen stehen, nicht gegeneinander.
Natürlich ist das ein Idealzustand. Im Alltag kommen dann «normale» Dinge dazwischen – das kennen alle Paare dieser Welt.
Melanie:Harmonie ist vielen wichtig. Kann zu viel Harmonie auch schaden?
Elmar:Ja – wenn sie wichtiger wird als Ehrlichkeit oder Transparenz. Dann vermeiden wir Reibung und verlieren Tiefe. Besonders in Fernbeziehungen: Man will die seltene Zeit schön halten, schiebt Unangenehmes weg, und dann leidet Intimität. Nähe wächst an Klärung.
Melanie:Woran merke ich, dass wir ausweichen? Was sind typische Warnsignale?
Elmar:Wenn Themen immer wieder auftauchen, aber nie geklärt werden. Wenn Witze verletzen. Wenn nach Kleinigkeiten langes Schweigen entsteht. Wenn man schon vor Gesprächen Anspannung spürt. Wenn man Abmachungen macht, aber sie nie überprüft. Das sind rote Flaggen.
Melanie:Und wenn jemand jetzt denkt: «Das trifft auf uns zu» – was wäre der erste kleine Schritt heute?
Elmar:Zehn Minuten Termin. Jede Person schreibt ein Bedürfnis auf – und eine verhandelbare Erwartung dazu.
Zum Beispiel:Bedürfnis: Ich will mich verbunden fühlen.Verhandelbare Erwartung: Ich wünsche mir, dass wir 2 Abende die Woche kurz zusammen essen.
In der Klärung kann dann herauskommen: Vielleicht reicht auch ein Spaziergang nach dem Essen oder ein Video-Call, wenn jemand unterwegs ist.
Das Entscheidende: Das Bedürfnis bleibt, aber die Form, wie es im Alltag gelebt wird, ist verhandelbar. Mehr braucht es oft gar nicht.
Teil 2 – Praxis und Tools
Melanie:Viele verwechseln Bedürfnisse und Erwartungen. Kannst du uns das mit einem einfachen Bild erklären?
Elmar:Nehmen wir eine Alltagsszene unter der Woche.
Person A kommt um halb sieben nach Hause, freut sich auf gemeinsame Zeit: Handy weg, zusammen kochen, Sofa, Nähe.
Person B hat Spätschicht. Für sie bedeutet Nähe: kurz sprechen, auch wenn nur per Video.
Beide wollen Nähe, aber sie verstehen sie unterschiedlich.A fühlt sich übergangen, wenn gemeinsame Abende ausfallen.B fühlt sich unter Druck, wenn Nähe nur heisst: körperlich da sein.
Der Konflikt entsteht nicht, weil jemand falsch liegt, sondern weil die Erwartungen an Nähe auseinandergehen.
Eine mögliche Lösung wäre:«Ich brauche Nähe, um mich verbunden zu fühlen. Welche Abende schaffen wir ohne Handy ab 19 Uhr – und an welchen Tagen reicht dir ein kurzer Call bei Spätschicht?»
Der kurze Call ersetzt die Nähe im Raum nicht, aber er hält die Verbindung lebendig, bis echte Nähe wieder möglich ist.
Merksatz:Gleiches Ziel, verschiedene Wege. Erst das Bedürfnis sichtbar machen, dann über Wege reden. Und ja, jetzt sind wir wieder beim Geschirrspüler.
Melanie:Gib uns bitte einen Leitfaden für ein Klärungsgespräch zu zweit – Schritt für Schritt.
Elmar:Wenn’s so einfach wäre! Aber dieser Ablauf funktioniert oft ganz gut:
Rahmen setzen: 45 Minuten ungestört. Keine Ablenkung, kein Handy.
Mit Ich beginnen: «Worum geht es mir wirklich?» – also Bedürfnis statt Vorwurf.
Perspektive holen: «Wie siehst du das?»
Muster benennen: «So läuft es meistens: Trigger, Reaktion, Folge.»
Bedürfnisse übersetzen: Statt «Du kümmerst dich nie» lieber «Ich brauche Verlässlichkeit, damit ich mich sicher fühle.»
Drei Optionen sammeln, eine testen, Termin fürs Review abmachen.
Und ganz wichtig: Wenn es geknallt hat, hilft Reparatur. Ein Satz wie «Es tut mir leid. Ich war überfordert. Ich möchte es anders machen.» öffnet sofort wieder Kontakt.
Kleine Reparaturversuche wirken stark – das ist gut belegt. Ein ehrlicher Satz, ein bisschen Humor, ein Danke. Entscheidend ist, dass die Reparatur angenommen wird.
Man kann das sogar üben: Eine Woche lang jeden Abend ein Satz wie«Heute ist mir … gelungen.» oder «Danke für …».Das baut Vertrauen auf – unspektakulär, aber sehr wirksam.
Melanie:Nicht-normative Beziehungen arbeiten oft bewusster mit Rollen. Wie klärt man Rollen, ohne in Klischees zu fallen?
Elmar:Indem man Stärken sichtbar macht. Wer bringt Struktur, wer Leichtigkeit, wer kann gut runterregeln, wenn’s hitzig wird? Rollen sind Aufgaben, keine Identitäten.
Darum: regelmässig prüfen, ob es noch passt – und wenn nicht, neu verteilen.
Hilfreich ist ein sogenanntes Wir-Protokoll in fünf Zeilen:Thema – Erkenntnis – Abmachung – Review-Termin – ein Satz Dank. Kurz, klar, verbindlich.Melanie:Fernbeziehung – drei Essentials, bitte.
Elmar:Erstens: Rituale mit Puffer. Fixe Zeitfenster und klare Regel bei Verspätung.Zweitens: Kommunikationskanäle klären. Heikle Themen nur per Video oder in Präsenz, nicht per Textnachricht.Drittens: Zukunft sichtbar machen. Nächste Treffen im Kalender, Countdowns, ein Spass-Konto – also jede Woche etwas nur für Freude.
Mein persönlicher Tipp: Eine Fernbeziehung immer wieder auf Beziehung überprüfen – sonst bleibt am Ende nur Fernverbindung.
Melanie:Welche Muster sollten Paare unbedingt stoppen?
Elmar:Sammelanklagen, Schuldzuweisungen, Altes aufwärmen, Ghosting als Druckmittel.Besser ist ein Meta-Satz, zum Beispiel:«Ich merke, das bringt uns gerade nicht weiter. Lass uns morgen noch einmal ruhig darüber reden.»Oder, wenn Abstand nötig ist:«Ich brauche bis morgen Mittag, ich melde mich dann.»Und das dann auch wirklich tun.
Melanie:Satzstarter für mehr Fairness – drei Stück.
Elmar:Ich brauche … für … damit ich …Ich sehe, dass dir … wichtig ist.Ich schlage vor, wir testen … bis … und schauen dann, wie es funktioniert..
Teil 2b – Kulturelle Unterschiede
Melanie:Viele Paare sind multikulturell. Was ändert sich in Konflikten, wenn unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen?
Elmar:Oft geht es um Direktheit, Timing und das Lesen zwischen den Zeilen.In manchen Kulturen sagt man klar, was man will. In anderen spricht man indirekter, man liest mehr aus dem Zusammenhang. Beides ist legitim.
Darum helfen zwei Fragen vor heiklen Themen: Wie direkt wünschen wir es heute?Und wie viel Kontext braucht es, damit wir uns verstehen?
Ein hilfreiches kleines Ritual ist: Beobachtung – Bedeutung – Bitte.Das heisst: zuerst sagen, was ich beobachtet habe, dann was es für mich bedeutet, und erst dann, was ich mir wünsche. So vermeiden wir, dass wir im Blindflug deuten oder interpretieren.
Melanie:Und was, wenn Familie oder Community Druck macht? Zum Beispiel Eltern, die ständig fragen: «Wann heiratet ihr endlich?» oder «Wann kommt das erste Kind?»Oder Freunde, die sagen: «Warum macht ihr das so kompliziert? In eurer Kultur geht das doch gar nicht.»
Oder eine religiöse Gemeinschaft, die bestimmte Rollen oder Offenheit ablehnt?
Elmar:Das ist ein sehr sensibler Bereich, weil sich persönliche Freiheit und kulturelle Loyalität oft überschneiden. Ich kann da nur begrenzt aus Erfahrung sprechen, aber ich sehe: Solche Situationen erzeugen, gerade bei jungen Paaren, viel Stress.
Paare stehen dann zwischen ihren eigenen Werten und den Erwartungen von aussen.Da hilft oft, zuerst die eigene Beziehung zu schützen: mit klaren Grenzen nach aussen – zum Beispiel mit Sätzen wie «Das ist unsere Entscheidung».Und mit stärkenden Ritualen nach innen – etwa «Wir nehmen uns bewusst Zeit füreinander».
Auch hilfreich: Verbündete suchen, die beide Welten verstehen.Das nimmt Druck raus und schafft Verständnis, ohne dass jemand sich zwischen Zugehörigkeit und Selbstbestimmung entscheiden muss.
Teil 3 – Reflexion und Schluss
Elmar:Jetzt bin ich wieder dran mit Fragen! Melanie, du beobachtest Paarkommunikation seit Jahren. Was ist die häufigste Kommunikationsfalle?
Melanie:Wenn Menschen deuten und interpretieren, statt zu fragen. Sie machen Annahmen wie: «Er oder sie sollte doch wissen, dass...» – obwohl das gar nie gesagt wurde.
Viele haben stille Erwartungen, statt ihre Bedürfnisse klar auszusprechen.Oder sie glauben, ihre eigene Wahrnehmung sei die Wahrheit.
Dazu kommen Ton und Timing. «C’est le ton qui fait la musique» – das gilt auch in der Liebe.Komisch, dass wir mit Fremden oft höflich und freundlich reden, mit unseren Nächsten aber nicht.
Und: Eine berechtigte Sache im falschen Moment kann alles verbrennen.Zum Beispiel: Jemand kommt gestresst von der Arbeit nach Hause – da sollte man nicht gleich mit Vorwürfen loslegen. Da braucht es Geduld und Fingerspitzengefühl. Viele wollen in der Partnerschaft sofort alles klären – und zwar gleich. Das funktioniert selten.
Elmar:Wie schaffen Paare sprachlich mehr Fairness?
Melanie:Zuerst: sich Zeit nehmen. Sich gegenüber hinsetzen, anschauen, alles andere weglegen.Schon die Körpersprache wirkt: ein freundliches, offenes Gesicht macht einen riesigen Unterschied – noch bevor man ein Wort sagt.
Dann zuhören. Wirklich zuhören. Nicht gleich kontern, nicht rechtfertigen.Erst wahrnehmen, dann antworten.
Auch wichtig: Beobachtung vor Bewertung.Meine Wahrheit ist nicht deine Wahrheit.
Ein Satz – eine Sache.Pausen zulassen.Paraphrasieren und validieren, also zum Beispiel: «Ich habe verstanden, dass dir ... wichtig ist.»Erst danach die eigene Bitte formulieren.
Und: Ich-Botschaften statt Du-Vorwürfe.Nicht «Du unterbrichst mich immer», sondern «Ich möchte fertig reden, damit ich den Faden nicht verliere.»
Das heisst: Bei sich bleiben, Gefühle benennen, erzählen, was einen bedrückt – statt Schuld zu verteilen.
Elmar:Oh, dieser Satz gefällt mir: «Meine Wahrheit ist nicht deine!»Darf ich das kurz unseren Zuhörer:innen erläutern?
Jede Person sieht die Welt auf ihre eigene Weise.Wir sehen also nicht die Welt, wie sie ist, sondern wie wir sind.Wenn wir miteinander reden, treffen diese verschiedenen Sichtweisen aufeinander.
Wirklichkeit entsteht im Gespräch – in dem, was wir sagen, wie wir reagieren und wie wir einander verstehen. Und da beginnen oft Konflikte.Ein Konflikt ist nicht einfach da – er entsteht im Miteinander.Und, das sage ich als Mediator: Dort kann er auch wieder verändert werden.
Nach dieser plakativen Definition des Konstruktivismus, zurück zum InterviewUnd wenn’s trotzdem nicht klappt – wie bleibt man ruhig, wenn es heiss wird?
Melanie:Den Körper nutzen.Länger ausatmen. Schultern lockern. Wasser trinken. Zwei Minuten Stille erlauben.Den Blick im Raum verankern – nicht fix auf die andere Person.
Dann zurück zu den Satzstartern. Das ist Gesprächshygiene.
Wenn es doch zu viel wird: Time-out verkünden.Zum Beispiel: «Hey, ich brauche eine Pause. Das ist mir gerade zu viel.»Das ist erlaubt – und oft hilfreich.
Elmar:Der Satz «Recht haben oder glücklich sein» – was sagen wir dazu?
Melanie:Er stellt die Frage: Was ist dir wichtiger – dein Ego zu bestätigen oder inneren Frieden zu finden?Es geht um Loslassen oder Festhalten, um Prioritäten.
Etwas richtigzustellen ist wichtig. Beziehung aber auch.Gute Lösungen ehren beides.
Recht ohne Beziehung ist ein Sieg mit Nebenwirkungen.Beziehung ohne Richtigstellen ist Frieden mit Beigeschmack.
Oder, wie man so schön sagt: Manchmal lohnt es sich, «den Fünfer gerade sein zu lassen».
Elmar:Aha, es gibt es den Fünfer und das Weggli nicht einfach so?Ich wäre ja eher der Typ «bestätigtes Ego mit innerem Frieden».Aber gut, da ist noch Luft nach oben...
Anyway – machen wir einen kleinen Selbsttest am Ende eines Beziehungsgesprächs. Drei Fragen:
Melanie:
Habe ich mein Bedürfnis klar benannt?
Habe ich das Anliegen des Gegenübers wirklich verstanden?
Haben wir eine überprüfbare Abmachung mit Zeitpunkt?
Wenn zweimal «Ja», dann seid ihr auf Kurs.
Elmar:Klingt vernünftig. Und bevor ich’s vergesse:Alle Episoden gibt es auch als Transkription – ihr müsst also nichts mitschreiben. Alles findet ihr auf podigee.com.
Blitzrunde
Melanie:Und nun los zur Blitzrunde!Konflikt – Definition in einem Satz.
Elmar:Konflikt ist Spannung aus unvereinbar erlebten Anliegen, die Beziehung und Handeln beeinflusst.
Melanie:Braucht’s Konflikte in Beziehungen?
Elmar:Unbedingt – aber als Entwicklungsimpulse. Entscheidend ist, wie man sie führt.
Melanie:Ist jeder Streit ein Konflikt?
Elmar:Nein. Aber ungelöste Konflikte werden irgendwann laut – oder kalt – oder lähmend.Im besten Fall endet die Beziehung, im schlechtesten Fall zerbricht etwas Grundlegendes zwischen den Beteiligten.Bevor ihr danach gleich weitermacht mit Alltag, Job oder Scrollen – nehmt euch kurz zehn Minuten. Konflikte lösen sich nicht nur durchs Reden, sondern durch bewusste Momente von Klarheit. Dafür ist diese kleine Übung gedacht.
Melanie:Schenk dir heute zehn Minuten. Schreib deine drei lautesten Bedürfnisse auf – zum Beispiel Nähe, Freiheit, Sicherheit, Wertschätzung, Sexualität oder Sinn.Wähle dazu eine verhandelbare Erwartung.Lade dein Gegenüber zu einem kurzen Gespräch ein.
Elmar:Diese Klärung schafft Nähe und Ruhe. Kein grosses Gespräch (was eh nichts bringt) und schafft kleine Räume, in denen Vertrauen wachsen kann.Nutzt das Wir-Protokoll: fünf Zeilen reichen – Thema, Erkenntnis, Abmachung, Review-Termin, ein Satz Dank.
Melanie:Kleiner Aufwand, grosse Wirkung. Probiert es aus!
Elmar:Wir sind am Ende der Sendung.Mein Fazit: Konflikte in Beziehungen entstehen selten, weil wir uns nicht mögen, sondern weil unerfüllte Bedürfnisse aufeinanderprallen. Wer sie erkennt und besprechbar macht, schafft Verständnis statt Abstand.
Und manchmal reicht schon ein ehrlicher Satz oder eine kleine Reparatur, damit wieder Verbindung entsteht.
Melanie:Danke, Elmar.
Elmar:Danke dir, Melanie.Und danke euch fürs Dabeisein.
Wenn euch diese Episode gefallen hat, sprecht darüber – und folgt «Zank you very much!» für mehr Gespräche über Stress, Streit und Standing.
Bis zum nächsten Mal. Tschüss!
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